Peres Jepchirchir siegt im Sprint, Julia Mayer auf starkem 33. Platz
Peres Jepchirchir ist die neue Marathon-Weltmeisterin. Bei extrem feucht-heißen Bedingungen setzte sich die kenianische Olympiasiegerin von 2021 in 2:24:43 Stunden mit nur zwei Sekunden Vorsprung vor Tigst Assefa durch. Erst auf den letzten 100 Metern im Nationalstadion konnte Jepchirchir ihre äthiopische Konkurrentin hinter sich lassen. Wie schon bei den Olympischen Spielen in Paris vor einem Jahr musste sich Tigst Assefa in einer ungewöhnlichen Sprint-Entscheidung geschlagen geben. Bei Olympia setzte sich die Niederländerin Sifan Hassan, die in Tokio nicht am Start war, ebenso knapp gegen die Äthiopierin durch. Nur einmal gab es in der WM-Geschichte des Frauen-Marathons ein noch engeres Finish: 2015 gewann die Äthiopierin Mare Dibaba in Peking mit einer Sekunde Vorsprung vor der Kenianerin Helah Kiprop.
Völlig unerwartet Bronze für Uruguay
Sensationell gewann Julia Paternain, die für Uruguay startet, die Bronzemedaille in 2:27:23. Die 25-Jährige, die in Mexiko geboren wurde, auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt und in den USA trainiert, war auf den letzten zwölf Kilometern noch von Platz zehn auf Rang drei nach vorne gelaufen. „Im Ziel konnte ich es nicht glauben, ich bin total im Schock“, sagte Julia Paternain, die in Tokio erst den zweiten Marathon ihrer Karriere lief und die erste WM-Medaille überhaupt für Uruguay gewann.
Ihre Qualifikation und zugleich nationalen Rekord für Uruguay schaffte sie in der Zeit von 2:27:09 Stunden im März dieses Jahres beim McKirdy Micro Marathon nahe New York, dem gleichen Event, bei dem auch Aaron Gruen in 2:09:53 den österreichischen Rekord erzielte - vielleicht ein gutes Omen für seinen WM-Start am Montag. Dass sie in Tokio beinahe gleich schnell war wie unter idealen Bedingungen im März, ist fast unglaublich. Weder ihre Halbmarathon-Bestleistung von 1:10:16 aus Indianapolis 2024, noch ihre Saisonbestleistung von 1:12:01 vom Houston Halbmarathon im Jänner und auch nicht ihre Rekorde auf kürzeren Distanzen deuteten auf eine solche Leistungsfähigkeit hin.
„Traum wahr geworden“: Julia Mayer auf Rang 33
Österreichs Marathonrekordhalterin Julia Mayer gelang auf Rang 33 in 2:36:20 Stunden ein starker Auftritt im Vergleich zu den Vorleistungen der Läuferinnen im WM-Feld. „Es war ein mega geiles Rennen, ich bin absolut zufrieden und hätte es nicht besser machen können. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man auf der zweiten Hälfte so viele Konkurrentinnen überholen kann. Dass es soweit nach vorne ging, hat mich selber überrascht und macht mich stolz, damit ist ein Traum wahr geworden“, wird sie auf oelv.at zitiert.
Nach dem mentalen Tief in Folge des Olympiamarathons von Paris 2024 zeigte sie sich in Tokio wieder in bester Verfassung. Die zwei Rennhälften absolvierte sie in 1:17:33 und 1:18:47 Stunden. Angesichts der Hitzebedingungen – offizielle Angaben lauteten 28°C und 72% Luftfeuchtigkeit am Start sowie 29°C und 67% Luftfeuchtigkeit im Ziel – gelang ihr ein cleveres und starkes Rennen. Über 25 Kilometer weit lief sie in einer größeren Gruppe. Im Vergleich mit mehreren anderen Läuferinnen ist es ihr gut gelungen, das Tempo einigermaßen zu halten, auch wenn die Bedinungen und ein Anstieg zum Schluss ihren Tribut forderten. Zwischen Kilometer 36 und 41 verlor sie mit Kilometerzeiten von 3:48-3:56 Minuten laut Strava-Aufzeichnungen an Geschwindigkeit.
„Erst auf den letzten Kilometern habe ich erstmals in meiner Karriere leichte Krämpfe von der Wade bis in den Oberschenkel im linken Bein bekommen. Aber sonst hat alles perfekt funktioniert, das gesamte Team hat mich auf den Verpflegungsstellen optimal mit Eis, Kappen, Getränken und Gels versorgt“, sagte sie.
Eine Reihe von Medaillen-Kandidatinnen gaben das Rennen entkräftet auf, darunter die VCM-Siegerin von 2023 Magdalyne Masai. Von 73 gestarteten Läuferinnen erreichten 63 das Ziel.
Favoritinnen machten ab KM 25 ernst
Die Favoritinnen hatten sich lange Zeit zurückgehalten und ließen an der Spitze die US-Amerikanerin Susanna Sullivan gewähren. Diese passierte die Halbmarathon-Marke nach 72:58 Minuten und hatte noch an der 25-km-Marke einen Vorsprung von rund 30 Sekunden. Doch dann machte die Gruppe der afrikanischen Topfavoritinnen ernst. Innerhalb von rund zweieinhalb Kilometern liefen sie, geführt von Tigst Assefa und Peres Jepchirchir, an die führende Sullivan heran und vorbei.
An der Spitze waren es dann die Olympia-Zweite von Paris 2024, Assefa, und die Olympiasiegerin von Sapporo 2021, Jepchirchir, die sich von Sutume Kebede (Äthiopien), Stella Chesang (Uganda) und Magdalyne Masai (Kenia) absetzen konnten. Den 5-km-Abschnitt zwischen 30 und 35 km liefen die beiden in 16:28 Minuten (2:19-Tempo). Danach war keine Verfolgerin mehr in Sichtweite. Assefa und Jepchirchir waren eine Klasse für sich. Keine konnte auf dem Weg zurück zum Stadion die andere hinter sich lassen. Nebeneinander liefen sie dann in die Arena. 200 Meter vor dem Ziel schien sich Tigst Assefa lösen zu können, doch irgendwie hielt Peres Jepchirchir doch den Anschluss und konnte ihrerseits nochmals beschleunigen. Knapp 100 Meter vor dem Ziel war Tigst Assefa geschlagen.
„Ich hatte nicht erwartet, dass ich gewinnen würde. Als ich sah, dass ich auf den letzten 100 Metern bin, bin ich gespurtet und habe noch eine versteckte Energie gefunden“, sagte Peres Jepchirchir, die ursprünglich den Berlin-Marathon am kommenden Sonntag laufen wollte, dann jedoch vom kenianischen Verband zum WM-Start überredet wurde. „Ich denke nicht so, dass ich die Goldmedaille verloren habe“, sagte Tigst Assefa, die im April den London-Marathon gewonnen hatte. „Ich hatte einige Schwierigkeiten bei der Vorbereitung auf Tokio und musste nach London eine längere Pause machen. Daher bin ich froh, dass ich hier ins Ziel gekommen bin und die Silbermedaille gewonnen habe.“
Spitzenleistungen abseits von Afrika
Die afrikanischen Laufnationen Kenia und Äthiopien feierten zwar Gold und Silber, doch dahinter zeigte sich ein sehr diverses Bild und machte die Chancen deutlich, die bei internationalen Meisterschaften auch für andere Länder bestehen.
Auf Rang vier kam in 2:28:17 Susanna Sullivan aus den USA. Ihre Offensivtaktik wurde nicht mit einer Medaille belohnt – auch wegen des Auftritts der Bronzemedaillengewinnerin Julia Paternain.
Die Finnin Alisa Vainio erreichte als beste Europäerin sensationell in 2:28:32 den fünften Platz. Auf Basis ihrer Bestleistungen von 2:25:36 in Berlin 2024 und 1:09:30 am Halbmarathon in Kopenhagen 2024 zeigte die 27-Jährige ein außergewöhnliches Rennen.
Das Veranstalterland Japan konnte nicht wie erträumt in den Medaillenkampf eingreifen. Kana Kobayashi lief in 2:28:50 als Beste japanische Athletin auf Rang sieben. Riesiger Applaus vom marathonbegeisterten Publikum war ihr sicher.
Mehr als außergewöhnlich die Leistung der Irin Fionualla McCormack. Zehn Tage vor ihrem 41. Geburtstag holte sie in 2:30:16 Stunden den neunten Platz und lief als zweitbeste Europäerin ein. Von Siegen bei Crosslauf-Europameisterschaften, einer Bronzemedaille bei der Hallen-EM, vier Olympiateilnahmen und starken Zeiten von 3.000m Hindernis bis zum Marathon kann sie auf einer herausragende Karriere blicken.
Mit einem beachtlichen Rennen kam die Spanierin Laura Luengo in 2:30:55 auf Rang elf. Die 28-Jährige konnte ein gleichmäßiges Tempo durchziehen und so vom 29. Platz beim Halbmarathon (1:15:19) noch fast in die Top-10 laufen.
Die Ungarin Nora Szabo, heuer in 2:30:31 auf Rang sechs beim Vienna City Marathon, präsentierte sich ebenfalls in Top-Verfassung. Sie lief zwei nahezu gleich schnelle Rennhälften und wurde mit Rang 15 in 2:31:41 Stunden belohnt.
1. Peres Jepchirchir KEN 2:24:43
2. Tigst Assefa ETH 2:24:45
3. Julia Paternain URU 2:27:23
4. Susanna Sullivan USA 2:28:17
5. Alisa Vainio FIN 2:28.32
6. Shitaye Eshete BRN 2:28:41
7. Kana Kobayashi JPN 2:28:50
8. Jessica McClain USA 2:29.20
9. Fionnuala McCormack IRL 2:30:16
10. Dolshi Tesfu ERI 2:30:41
33. Julia Mayer AUT 2:36:20
5-km-Splits: 18:12 - 18:23 - 18:28 - 18:25 - 18:19 - 18:18 - 18:43 - 19:33 (7:59 von KM 40 bis ins Ziel)
VCM News / Jörg Wenig - Race News Service / Andreas Maier